Ich hatte 3000 Frauen by Harald Schmidt
Autor:Harald Schmidt
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch
veröffentlicht: 2009-05-03T16:00:00+00:00
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Kassenpatienten
Ob sie dafür auch länger leben? Wir wissen es nicht. In jedem Fall warten Kassenpatienten deutlich länger auf einen Facharzttermin als Privatversicherte. Dies hat für uns jetzt das griffig benannte Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie herausgefunden. Leiter übrigens Karl Lauterbach (genau, der mit der Fliege. Kompliment, dass er dafür überhaupt noch Zeit findet. Wir hätten geglaubt, er sei mit seinen Talkshow-Auftritten vollständig ausgelastet). Schuld sind die Kassen. Weil sie den Ärzten das Büdsché drastisch zusammengestrichen haben, behandeln die so etwa ab dem Zehnten des Quartals Kassenpatienten für lau und versuchen anschließend, die Maladen ins nächste Viertel zu schieben. Kleiner Tipp: schwere Krankheiten auf Anfang Januar, April, Juli oder Oktober verlegen.
Die Reichen und Schönen aber, mit ihren Platin Member Cards bei den Privatkassen, haben überhaupt keine Wartezeit. Sie marschieren durch. Auch wer nicht mit dem Doc befreundet ist oder mal was mit ihm hatte, wartet als Privater nur kurz auf einem Designerstühlchen im Wohlfühlbereich der Praxis, anstatt sich zwischen Anoraks und alten Tempos einen Stehplatz an der Wartezimmerwand suchen zu müssen. Irgendwo neben dem vergilbten Poster »Die zehn Warnzeichen des Krebses«.
Und ist es denn volkswirtschaftlich nicht sinnvoll, dass Privatpatienten bereits nach 11,9 Tagen zur Magenspiegelung gebeten werden (Kasse: 36,7)? Aufgrund ihres variantenreichen Alkoholkonsums als Leistungsträger sind sie viel anfälliger für die mörderische Refluxösophagitis (im Volksmund: Sodbrennen). Kassenpatienten trinken nur Bier, weit weniger Magensäure produzierend als Wodka, Chablis, Cognac, Whisky sour oder flambierte Crème brûlée. Haben Menschen, die 100 % Einzelzimmerzuschlag, Chefarztbehandlung und nahezu garantiertes Wiederaufwachen aus der Vollnarkose mit teuren Zuschlägen finanzieren, nicht geradezu das Recht, zwischendurch mal eine sogenannte »Schlafspritze« verabreicht zu bekommen? Ein kleines Chillen dann und wann beim Gastroenterologen?
Rätselhaft bleibt, warum ein Kassenpatient schon nach 6,8 Tagen zum Hörtest will (Privat: schockierende 2,2). Was will er denn hören? Beck, Banken, Bomben? Das jagt ihm doch bloß die Pumpe hoch, während er innerhalb der Arbeitszeit auf seine Knie-Magnetresonanztomographie wartet!
Überhaupt ist die Unterscheidung arm/reich im Gesundheitswesen Quatsch. Schon mal beobachtet, wie einer 22-Jährigen mit Schnupfen stundenlang die Brüste abgetastet wer den, während gleichzeitig der Heimwerker Ende 60 zusammengestaucht wird, warum er die abgetrennte Hand nicht gleich bei der Anmeldung vorgelegt hat?
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